The mere fact that such a familiar feature of our lives [like consciousness, Za.] has resisted for so long all attempts to characterize it suggests that our conception of it is at fault. What is needed is not just more evidence, more experimental and clinical data, but a careful rethinking of the assumptions.
Daniel C. Dennett
State of the Art
Hat sich an der Feststellung von Dennett bis heute (2009) etwas geändert? Alle Lösungsversuche des Leib-Seele-Problems von Descartes bis zur analytischen Philosophie des Geistes haben ausschließlich zu einer Aufsplitterung in eine Vielzahl von Ismen und vermeintlichen Teilproblemen geführt. Diese sind zwar durch eine mehr oder minder konsistente Logik gekennzeichnet, haben aber eines gemeinsam: alle basieren auf expliziten oder impliziten Annahmen, die weder verifizierbar noch falsifizierbar sind.
Die verwirrende Vielfalt der Terminologie ist nicht mehr überschaubar, abgesehen davon, dass die Begriffe von jedem Autor verschieden verwendet werden. Die intellektuelle Kreativität fokussiert sich daher häufig nur auf Definitionen oder vermeintliche Teilprobleme ohne damit der Lösung des Problems näher zu kommen.
Lösungsansätze werden von der Scientific Community nur zu Kenntnis genommen, wenn sie im Rahmen des derzeit gültigen Paradigmas erfolgen. Dazu gehören u.a. eine vom Bewusstsein unabhängige, objektive Außenwelt, Trennung zwischen Physis und Mentalem, die Notwendigkeit der Anwendung der physikalischen Gesetze auf das Leib-Seele-Problem, die Gültigkeit der Kausalität, die Gültigkeit des Circulus-vitiosus-Axioms.
Liegt nicht möglicherweise das größte Hindernis für die Lösung des Leib-Seele-Problems bereits in der einschränkenden Formulierung des Problems, denn was ist mit der wahrgenommenen Außenwelt, den Gefühlen und den Gedanken? Eine Lösung im Rahmen des gültigen Paradigmas erscheint äußerst unwahrscheinlich.
Das Axiom
Es ist Stand der Erkenntnis, dass das Bewusste jeweils mit einer spezifischen Funktion spezifischer Zellen der menschlichen Großhirnrinde korreliert, die als neuronales Korrelat des Bewussten, englisch Neuronal Correlat of Consciousness (NCC), bezeichnet wird. Lungwitz formuliert das so: Das Bewusste ist Funktionseigentümlichkeit spezifischer Zellen der Hirnrinde, im Folgenden mit FEH abgekürzt.
Alleine die konsequent zu Ende gedachten Schlussfolgerungen aus diesem Axiom werden den eigentlichen Kern des Leib-Seele-Problems freilegen und zu einer klaren Terminologie und Formulierung des Problems führen, die die Voraussetzung für die Lösung des Problems sind.
Mit der obigen Formulierung des Axioms erfolgt keinerlei Aussage darüber, ob das Bewusste vom Gehirn konstruiert oder in irgendeiner Weise generiert oder verursacht wird, ob das Bewusste eine Interpretation der Wirklichkeit durch das Gehirn ist, wo sich das Bewusste befindet, sei es im Gehirn, sei es im Geist, sei es durch diesen erzeugt oder gar identisch mit diesem. Aussagen über die Seele und den Geist einschließlich einer möglichen Wechselwirkung mit dem Gehirn sind in dem Axiom nicht enthalten. Allerdings bedarf der Begriff des Bewussten, dieses "rätselhaften Phänomens" (Pauen) noch einer Erläuterung, da er in der Philosophie, Psychologie und den Neurowissenschaften mit den verschiedensten Inhalten belegt wird.
Erläuterung zum Begriff "Bewusstes"
Ist nach derzeitigem Stand der Erkenntnis der Neurowissenschaften ein erlebtes Gefühl ohne NCC vorstellbar? Ist ein sensorisch wahrgenommener Gegenstand ohne NCC vorstellbar? Sind Gedanken, Vorstellungen, Erinnerungen ohne NCC vorstellbar? Die Antwort lautet: Nein. Selbst die Vorstellung, dass es doch möglich sein könnte, ist ohne NCC nicht vorstellbar.
Über diese Feststellung besteht heute ein weitest gehender Konsens in der wissenschaftlichen Gemeinschaft. Denkt man sie konsequent zu Ende, so kommt man notwendigerweise zu dem Ergebnis, dass diese Feststellung für alle Dinge gilt. Stellvertretend seien hier nur einige Beispiele aufgeführt: die objektive Außenwelt in der wir leben, die Materie, die Naturgesetze der exakten Wissenschaften, Energie, Raum und Zeit, Vergangenes und Zukünftiges, die Kriterien für Wissenschaftlichkeit wie z.B. Objektivität, Reproduzierbarkeit, empirische Nachweisbarkeit, Vorhersagbarkeit, Exaktheit, Stringenz, Beweis und Logik, Leben, Tod, Existenz und Sein, Wahrheit und Lügen, Täuschungen und Fiktionen, Fragen nach dem Sinn, Zweck und Ziel des Lebens, Grenzen der Erkenntnis und Gott, Leib und Seele, Psyche und Physis, mentale Phänomene, Repräsentationen, Zustände, Eigenschaften und Funktionen.
Zusammengefasst: Jedes Gefühl, jeder Gegenstand, jeder Gedanke, jede Vorstellung, Idee und Erinnerung ist Funktionseigentümlichkeit der menschlichen Hirnrinde als dem Organ des Bewusstseins und korreliert mit spezifischen Funktionen der Hirnrinde. Alle neuronalen Korrelate sind morphologisch und funktionell gleichartig. Somit spricht aus neurobiologischer Sicht nichts dagegen, nicht nur die sogenannten mentalen Phänomene als bewusst zu bezeichnen, sondern auch die Gefühle und die sensorisch wahrgenommenen Dinge, insbesondere auch die sogenannte Außenwelt.
Der Begriff des Physischen wird heute im Allgemeinen nur den sensorisch wahrgenommenen Gegenständen zugeordnet, wohingegen Gefühle und Gedanken dem sogenannten Mentalen zugeordnet werden. Allen Dingen gemeinsam ist jedoch, dass sie FEH sind bzw. mit einem NCC korrelieren. Somit spricht auch nichts dagegen, dass auch Gefühle und Gedanken physisch sind, wobei physisch nicht mit physikalisch oder gar mit materiell zu verwechseln ist.
Somit kommt die Psychobiologie zur einer einfachen, aber klaren und eindeutigen Erläuterung des Begriffes "Bewusstes":
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»Das Bewusste "erscheint" als Gefühl, Gegenstand und Begriff«. |
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Auch das Concise Oxford Dictionary erläutert das Bewusste in gleicher Weise: |
Mit dieser Beschreibung des Bewussten entfällt die verwirrende und zum Teil widersprüchliche Vielfalt dessen, was heutzutage unter Bewusstem bzw. Bewusstsein verstanden wird. Damit lichtet sich das Begriffsdickicht, das der Lösung des Leib-Seele-Problems im Wege steht, und das den Blick auf den Kern des Problems vernebelt.
Lösung trotz Circulus vitiosus?
Das klassische Paradigma der Epistemologie ist unzulänglich, aber bis heute ist keine brauchbare Alternative zu diesem traditionellen Paradigma entwickelt worden.
Thomas Kuhn
Ein unüberwindliches Hindernis zur Lösung des Leib-Seele-Problems scheint darin zu bestehen, dass das Gehirn und vor allem das Axiom selber FEH sind. Dann, wann sie gehört, gelesen oder gedacht werden, sind sie Bewusstes. Das Gleiche gilt sowohl für die Erläuterung des Begriffes "Bewusstes" als auch für die Beschreibung der Korrelation zwischen dem Bewussten und seinem neurobiologischen Korrelat.
Alle Paradigmen und alle bisherigen Lösungsversuche des Leib-Seele-Problems sind bzw. waren FEH, selbst die Versuche der Lösung durch die Dritte-Person-Perspektive. Selbst ein Paradigmenwechsel und die endgültige Lösung des Problems werden FEH sein. Auch diese Aussage ist Funktionseigentümlichkeit meiner (des Autors dieser Zeilen) als auch Ihrer (des Lesers dieser Zeilen) Großhirnrinde, die dann, wann wir an sie denken, unser FEH ist.
Es gibt kein Bewusstes vom, neben oder hinter dem Bewussten, also gewissermaßen ein Metabewusstes oder Superbewusstes, das uns in die Lage versetzen könnte, gewissermaßen objektiv und unabhängig vom Bewussten das Bewusste zu erkennen bzw. das Rätsel zu lösen.
Jeder Lösungsversuch mündet somit in eine Zirkularität. Jeder "Beweis" für die Richtigkeit der Lösung des Leib-Seele-Problems würde notwendigerweise gegen das von Whitehead und Russell aufgestellte Circulus-vitiosus-Axiom verstoßen.
Daraus folgt: Das Lösen des Leib-Seele-Problems kann nicht in der Form eines klassischen Beweises geführt werden, sondern ausschließlich in Form einer stringenten Erläuterung, die notwendigerweise "inkommensurabel" (Thomas Kuhn) sein muss, da sie nicht zu dem Paradigma der zeitgenössischen Scientific Community passt und von der Mehrzahl der Wissenschaftler abgelehnt werden wird..
Phylogenese der Erkenntnis
Ein Mensch, der ein Problem gelöst hat, ist ein anderer, als er zuvor war. Denn sein Gehirn hat sich bis in die elementaren molekularen Strukturen verändert.
Ramón y Cajal
Obiges Zitat des spanischen Histologen, Anatomen und Nobelpreisträgers Ramón y Cajal besagt mit anderen Worten, dass die Lösung eines Problems FEH mit einem geänderten NCC gegenüber dem NCC vor der Lösung des Problems ist. Die Lösung jedes Problems korreliert mit der Differenzierung der Hirnrinde, d.h. Problemlösung ist folglich Entwicklung.
Viele Generationen von Wissenschaftlern und Philosophen haben versucht, das Leib-Seele-Problem zu lösen. Es ist also eine Frage der menschlichen Phylogenese, wann erstmals bei einem Menschen die Hirnrinde soweit entwickelt ist, dass die Lösung des Leib-Seele-Problems „da ist“ und zwar als FEH mit dem zugehörigen erstmalig existierenden neuronalen Korrelat. Es dürfte sich dabei um eine »intellektuelle Revolution« handeln, »die lange Perioden konservativen Rätsellösens über den Haufen wirft« und »inkommensurabel« ist (Thomas Kuhn).
Das erkenntnistheoretische Grundproblem
Nachdem der Begriff des Bewussten hinreichend erläutert worden ist, bleiben noch zwei Fragen offen:
1. Wer oder was ist dasjenige, das das Bewusste wahrnimmt?
2. Wie interagiert das Wahrnehmende mit dem Wahrgenommenen?
Diese Fragestellung führt zu einer dualistischen Arbeitshypothese, ohne dass dabei notwendigerweise ein Dualismus als Lösung vorgegeben ist.
Lungwitz formuliert das Problem folgendermaßen: »Das erkenntnistheoretische Grundproblem ist die Frage nach dem Wesen der Dinge, also die Trias: was ist das Erkannte (Wahrgenommene, Angeschaute, [Bewusstes, Objekt, Za.] usw.), was ist das Erkennende (Wahrnehmende, Anschauende, Denkende, [Geist, Seele, Ich (nicht zu verwechseln mit dem "Körper-Ich"), Subjekt, Za.] usw.), und was ist, wie geschieht das Erkennen (Wahrnehmen, Anschauen, Denken, [Empfinden, Fühlen, Interaktion, Za.] usw.)? «
Zur Vereinfachung fassen wir zunächst die Vielfalt der Begriffe für das Erkannte unter dem Begriff Objekt zusammen, für das Erkennende unter dem Begriff Subjekt und für das Erkennen unter dem Begriff Beziehung.
Über das Subjekt kann ausschließlich Gegensätzliches zu den Bestimmtheiten des Objekts ausgesagt werden. Bereits jede Nennung, geschweige denn Beschreibung des Subjekts ist objektisch, d.h. "befindet sich" auf der Objektseite der Beziehung, ist FEH und somit physisch. Schließt man alle denkbaren, nicht mehr und noch nicht wahrgenommenen Objekte (Gefühle, Gegenstände, Begriffe) aus, so bleibt als Subjekt das Nichts übrig. Das Subjekt ist das Nichts im Gegensatz zum Etwas, dem Objekt. Über das Subjekt kann ausschließlich Gegensätzliches zu den Bestimmtheiten des Objekts ausgesagt werden.
Mit Beziehung sind nicht gemeint die physikalischen Prozesse zwischen einem Gegenstand und den Rezeptoren der Sinnesorgane, ebenso wie die sich anschließenden neurophysiologischen Prozesse bis zur aktuellen Funktion der Zellen der Hirnrinde. Mit Beziehung in diesem Zusammenhang ist nicht gemeint die Beziehung zwischen dem Objekt und "seinem" NCC. Nicht gemeint mit Beziehung ist eine – wie auch immer geartete – Interaktion zwischen dem Subjekt und der Hirnrinde.
Gemeint ist die Beziehung zwischen Subjekt und Objekt, das als Gefühl, Gegenstand oder Begriff "erscheint" oder anders ausgedrückt: einfach "da ist".
Das Leib-Seele-Problem mit seiner Beschränkung auf den Körper und das Wahrnehmende erweist sich somit als eine Untermenge des zu lösenden Kernproblems der Erkenntnistheorie:
• Das Problem der Subjekt-Objekt-Beziehung bzw. das erkenntnistheoretische Problem der Anschauung.
Die Lösung des erkenntnistheoretischen Problems der Anschauung
Eine eingehende Darstellung der Argumente für die Lösung des Problems würde den Rahmen dieser Website sprengen. Deshalb sei auf die Bücher von Lungwitz verwiesen. Hier erfolgt nur eine kurze, zusammenfassende Darstellung:
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Die Welt ist die Summe meines Bewussten. Es gibt keine Welt außerhalb der menschlichen Anschauung. So viele Menschen, so viele Welten. |
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Das Objekt (Gefühl, Gegenstand, Begriff) ist das einzig Existente. Synonyma hierfür sind: |
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Das Objekt ist ausschließlich mit sich selber identisch und ,,erscheint" jeweils als immer-anders, als Verändertheit. Es gibt keine Identität zwischen Objekten. |
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Die Mehrzahl Objekte existiert ausschließlich in der Beschreibung (Phänomenologie). Phänomenal existiert immer nur ein Objekt. |
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Die zeiträumliche Zugleichheit von Objekten existiert ausschließlich in der Beschreibung (Phänomenologie). |
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Das Objekt ist Symbol der Welt, d.h. es ist Symbol der Summe der nicht mehr und der noch nicht existierenden Objekte (unbewusste Objekte). Die Symbolkomponenten existieren ausschließlich in der Beschreibung. Den Symbolkomponenten entspricht erkenntnistheoretisch das Vor-Bewusste und das Nach-Bewusste des Objekts. |
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Das Objekt ist Funktionseigentümlichkeit spezifischer Zellen der Großhirnrinde, d.h. es entspricht spezifischen neuronalen Funktionen (NCC). Die Symbolkomponenten des Objektes haben rein beschreibungsmäßig (phänomenologisch) ihre Entsprechung in den jeweils anderen Zellen der Großhirnrinde und ihrer assoziativen Kopplung (,,Verdrahtung") an die jeweils aktuell funktionierende Zelle. |
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Das einzelne Objekt hat weder Ausdehnung noch Dauer. Es kann nicht raumzeitlich gemessen werden. Nur die Objektreihe hat Ausdehnung und Dauer, ist messbar. Räumlicher und zeitlicher Abstand bestehen nur zwischen den Gliedern der Objektreihen. |
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Es gibt phänomenal keine Zeit und keinen Raum. Es gibt nicht das Objekt und den Raum und die Zeit, in denen es sich befindet. Raum und Zeit existieren ausschließlich phänomenologisch, d.h. als Beschreibung der koordinativen Symbolkomponenten von Objektreihen bzw. als spezifische Beschreibung des Objektes als Verändertheit. |
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Das Objekt existiert in gegensätzlicher Zugleichheit mit ,,seinem" Subjekt. |
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Das Subjekt (Synonyma: Anschauendes, Psyche, Geist, Seele, Ich, Wahrnehmendes) ist als polarer Gegensatzpartner zum Objekt das Nicht-Existente, Nicht-Bewusste, das Nichts. |
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Die Beziehung (Anschauung usw.) ist zeit-räumliche gegensätzliche Zugleichheit von Subjekt und Objekt , Nicht-Bewusstem und Bewusstem, Nichts und Etwas, Psyche und Physis usw.. Die Beziehung ist nicht etwa ein eigenständiges Drittes zusätzlich zum Subjekt und Objekt. |
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Kausalität im Sinne von Ursache und Wirkung, Konditionalität, Teleologie und Finalität sind als Begriffe selber physisch. Es handelt sich jeweils um ein zusäztliches "erklärendes", in die reine Tatsächlichkeit (Folge von Objekten) hinein gedeutetes Etwas, das sich als überflüssige Fiktion erweist. |
Werner Zabka
Literatur:
Lungwitz, Hans: Die Entdeckung der Seele. 5. Auflage 1947
Lungwitz, Hans: Lehrbuch der Psychobiologie, Band 1: Das Wesen der Anschauung: Der Mensch als Reflexwesen; Von den Eigenschaften und Funktionen